Ein anschauliches Beispiel für die Persistenz des Analog-Linearen im Digitalen sind viele Verwaltungsprozesse, die ihren Weg ins Digitale gefunden haben: Zunächst – in Zeiten, in denen papierlos arbeiten ein Zeichen für Umweltschutz und ökologisches Gewissen war – ersetzte der PC die Schreibmaschine. Nach und nach entstanden Software-Pakete, die die einzelnen Verwaltungsschritte im Digitalen aneinanderreihten und damit digitale Prozessketten entstehen ließen. Einige dieser Prozessschritte können oder konnten dabei vollständig automatisiert werden.
Doch schaut man sich die Implementierungen genauer an, stellt man häufig fest, dass die Grundabläufe im Digitalen noch immer die Grundabläufe aus den Zeiten der Berge von Papierakten widerspiegeln (Illustration 1): eine Akte wandert in Abteilung 1: Stempeln, bearbeiten, stempeln, weiter zu Abteilung 2. Dort erneutes Eingangsstempeln, bearbeiten, stempeln und weiterreichen. Die Akte erreicht Abteilung 3. Formfehler im Antragsformular im für Abteilung 3 relevanten Abschnitt. Vorgang wird zurückgewiesen. Zu diesem Zeitpunkt haben schon zwei Abteilungen unnötig Arbeit in den Vorfall gesteckt.
Im ersten Schritt sollten alle Schritte, die direkt mit den Eingangsdaten durchgeführt werden können, digital automatisiert durchgeführt werden. Damit lässt sich die Überprüfung vieler Anforderungen erledigen, bevor auch nur eine Sekunde dezidierter menschlicher Geistesarbeit in den Vorfall geflossen ist.
Im nächsten Schritt sollte alles, was parallel bearbeitet werden kann, auch parallel bearbeitet werden. Das Stempeln entfällt; Timestamps und digitale Signaturen entstehen automatisch zu Beginn und am Ende der Bearbeitung. Zur Absicherung der Qualität wird ein digitaler Check eingeführt, der prüft, ob alle erforderlichen Angaben vorhanden sind und alle notwendigen Arbeitsschritte durchgeführt wurden. Die Ergebnisse werden plausibilisiert. Sofern erforderlich erfolgt noch ein Abschluss und eine Freigabe des Resultats durch einen Menschen.
Ob dieser Prozess faktisch schneller ist oder nicht: im Prinzip hat er das Potential dazu. Er sollte auch Fehler oder die Schusseligkeit der Sachbearbeiter auffangen können, da ein oder zwei Sicherheitsprüfungen in den Prozess integriert wurden. Außerdem kann zu jedem Zeitpunkt exakt gesagt werden, in welchem Stadium sich die Bearbeitung befindet. Eine Information, die Kunden oder Bürger sehr zu schätzen wissen.
Autorin: Christin Schäfer
Erscheinungsdatum: 20.03.2020